margret rasfeld

Margret Rasfeld: Schule im Aufbruch – Wie eine Bildungspionierin das deutsche Schulsystem verändert

Stell Dir vor, Du betrittst eine Schule, in der Kinder nicht unterrichtet, sondern aufgebaut werden. Eine Schule, in der Begeisterung statt Bewertung herrscht, in der Potenzialentfaltung wichtiger ist als Prüfungsergebnisse. Klingt utopisch? Für Margret Rasfeld ist das gelebte Realität – und ihre Mission für die Zukunft der Bildung.

Inhaltsverzeichnis

Wer ist Margret Rasfeld?

Margret Rasfeld (*1951 in Gladbeck) ist weit mehr als eine pensionierte Schulleiterin. Sie ist eine BildungsaktivistinAutorin und Visionärin, die das deutsche Bildungssystem nachhaltig prägt. Als Mitbegründerin der Initiative „Schule im Aufbruch“ und gewählte Ashoka Fellow seit 2015 hat sie sich zur führenden Stimme für eine transformative Bildungskultur entwickelt.

„Ich bin getragen von dem unbedingten Vertrauen in die Potenziale von Kindern und Jugendlichen. Mein Anliegen ist es, ein breites Bewusstsein dafür sowie Räume zu schaffen, damit sich diese Potenziale in ihrer gesamten Breite und Einzigartigkeit entfalten können.“

Diese Worte fassen Rasfelds Lebenswerk zusammen: Die radikale Neugestaltung von Schule als Ort der Potenzialentfaltung statt der Wissensvermittlung. Während Bildungspolitiker über PISA-Ergebnisse diskutieren, schafft Rasfeld Fakten: Sie zeigt, wie Schule im 21. Jahrhundert aussehen kann – und muss.

Frühe Jahre und Werdegang

Geboren 1951 in Gladbeck im nördlichen Ruhrgebiet, wuchs Margret Rasfeld in einer Zeit des Umbruchs auf. Die Nachkriegszeit prägte ihre Generation mit dem Wunsch nach Veränderung und dem Glauben an eine bessere Zukunft.

Akademische Ausbildung

Margret Rasfeld durchlief zunächst eine fundierte fachspezifische Ausbildung in den Lehramtsstudiengängen für Biologie und Chemie, die sie beide al Hauptfach studierte. Getrieben von dem Wunsch, ihre pädagogischen Fähigkeiten zu erweitern und neue Ansätze in der Bildungsarbeit zu entwickeln, erwarb sie wichtige Zusatzqualifikationen in den Bereichen Organisationsentwicklung, Themenzentrierte Interaktion (TZI) und Gestalttherapie.

Diese interdisziplinäre Ausbildung legte den Grundstein für ihren ganzheitlichen Bildungsansatz. Besonders die TZI, entwickelt von Ruth Cohn, prägte ihr Verständnis von Lernen als Zusammenspiel von Ich, Wir und Es (Thema) im Kontext.

Der Weg zur Bildungsinnovatorin

Fun Fact: Rasfeld startete ihre Karriere als „normale“ Lehrerin. Doch schnell merkte sie, dass das traditionelle System weder ihr noch den Kindern gerecht wurde. Statt zu resignieren, begann sie zu experimentieren – und wurde zur Pionierin.

Die Bildungsrevolutionärin: Philosophie und Vision

Kernprinzipien ihrer Bildungsphilosophie

1. Potenzialentfaltung statt Defizitorientierung „Kinder auf-bauen, nicht unter-richten“ – dieser Leitsatz durchzieht Rasfelds gesamtes Werk. Sie sieht jedes Kind als einzigartiges Wesen mit individuellen Talenten, die es zu entdecken und fördern gilt.

2. Selbstorganisiertes Lernen Rasfeld plädiert für „selbstorganisiert, interessengeleitet, forschend, eigeninitiativ“ – Lernen soll intrinsisch motiviert sein, nicht von außen aufgezwungen.

3. Ganzheitliche Bildung „Bildung ist das, was übrig bleibt, wenn das Wissen vergessen ist. Bildung hat viel mit Haltung zu tun.“ Für Rasfeld umfasst Bildung:

  • Kognitive Kompetenzen
  • Herzensbildung
  • Charakterbildung
  • Verantwortungsbewusstsein

4. Vom Einzelkämpfer zum Team Die Zukunft braucht „Wir-Qualitäten“: Kollaboration, Vernetzung, gemeinsames Problemlösen. Das kompetitive „Höher, Schneller, Weiter“ hat ausgedient.

Die Vision: Bildung für eine zukunftsfähige Gesellschaft

Rasfelds Vision geht weit über Schulreform hinaus. Sie sieht Bildung als Schlüssel zur gesellschaftlichen Transformation:

„Das neue Bildungsziel heißt: Lernen, die Welt zu verändern.“

Diese radikale Neuausrichtung bedeutet:

  • Kinder werden zu Global Citizens ausgebildet
  • Nachhaltigkeit und Verantwortung stehen im Zentrum
  • Schule wird zum Übungsfeld für demokratische Teilhabe
  • Lernen orientiert sich an realen Herausforderungen

Schule im Aufbruch: Eine Bewegung entsteht

Die Gründung (2012)

2012 war ein Wendepunkt: Gemeinsam mit Prof. Dr. Stephan Breidenbach (Jurist und Mediationsexperte) und Prof. Dr. Gerald Hüther (Neurobiologe) gründete Rasfeld die Initiative „Schule im Aufbruch“.

Die Gründungsidee: Eine Bottom-up-Bewegung schaffen, die Schulen ermutigt und unterstützt, sich zu transformieren. Keine Reform von oben, sondern Graswurzel-Revolution von unten.

Die Mission

„Schule im Aufbruch“ versteht sich als:

  • Ermutiger: „Fangt an, wir unterstützen euch!“
  • Ideengeber: Konkrete Konzepte und Methoden
  • Begleiter: Professionelle Unterstützung im Transformationsprozess
  • Vernetzer: Austausch zwischen Pionier-Schulen

Der Erfolg in Zahlen

Beeindruckende Bilanz nach 12 Jahren:

  • Über 400 Schulen praktizieren das Fach „Verantwortung“
  • Hunderte Schulen haben Projekttage eingeführt
  • Tausende Lehrkräfte wurden fortgebildet
  • Die Bewegung wächst kontinuierlich

Die Transformationsakademie

Seit 2023 bietet „Schule im Aufbruch“ eine Transformationsakademie an. Hier werden Transformationsbegleiter ausgebildet, die Schulen professionell durch den Veränderungsprozess führen.

Was macht einen Transformationsbegleiter aus?

  • Systemisches Verständnis von Schulentwicklung
  • Methodenkompetenz in Veränderungsprozessen
  • Coaching-Fähigkeiten für Lehrerkollegien
  • Expertise in innovativen Lernformaten
  • Resilienz im Umgang mit Widerständen

Innovative Lernformate und Methoden

1. Selbstorganisiertes Lernen

Das Konzept: Schüler entscheiden selbst:

  • Was sie lernen (innerhalb eines Rahmens)
  • Wann sie lernen
  • Wie sie lernen
  • Wann sie sich testen lassen

Praktisches Beispiel: In der Lernwerkstatt arbeiten Schüler an individuellen Lernplänen. Max (13) vertieft sich in Astronomie, während Lisa (14) ein Buch über Meeresbiologie schreibt. Beide erfüllen dabei Kompetenzen aus verschiedenen Fächern.

2. Jahrgangsgemischtes Lernen

Vorteile:

  • Ältere helfen Jüngeren (Lernen durch Lehren)
  • Natürliche Differenzierung
  • Abbau von Konkurrenzdruck
  • Förderung sozialer Kompetenzen

3. Projekttage und Herausforderungen

Ein Tag pro Woche ist Projekten gewidmet:

  • 6 Wochen Zeit für ein Thema
  • Eigene Forschungsfrage entwickeln
  • Präsentation der Ergebnisse

Die „Herausforderung“: Jugendliche verlassen für 2-3 Wochen die Schule und meistern eine selbstgewählte Aufgabe:

  • Alpenüberquerung zu Fuß
  • Praktikum im Ausland
  • Soziales Projekt organisieren
  • Künstlerisches Werk schaffen

4. Zertifikate statt Noten

Der Paradigmenwechsel:

  • Keine Ziffernnoten
  • Detaillierte Kompetenzbeschreibungen
  • Selbsteinschätzung der Schüler
  • Peer-Feedback
  • Lernentwicklungsgespräche

Traditionelle Bewertung vs. Neue Bewertungskultur

Traditionell

Neue Kultur

Ziffernnoten

Kompetenzbeschreibungen

Defizitorientiert

Stärkenorientiert

Vergleichend

Individuell

Punktuell

Prozessorientiert

Fremdbestimmt

Selbstbestimmt

Selektion

Förderung

Das Fach „Verantwortung“: Ein Paradigmenwechsel

Das Fach Verantwortung ist Rasfelds vielleicht wichtigste Innovation – vor allem weil es so einfach . Schüler übernehmen für mindestens zwei Stunden pro Woche echte Verantwortung in der Gesellschaft.

Konkrete Umsetzung

Beispiele aus der Praxis:

  • Tim (12) liest wöchentlich im Altenheim vor
  • Sarah (14) trainiert eine Kindergarten-Fußballmannschaft
  • Die 8b organisiert einen Repair-Café im Stadtteil
  • Jonas (15) gibt Computerkurse für Senioren

Die Wirkung

Für die Schüler:

  • Selbstwirksamkeitserfahrung
  • Empathieentwicklung
  • Praktische Kompetenzen
  • Berufsorientierung
  • Charakterbildung

Für die Gesellschaft:

  • Generationenverbindung
  • Soziale Innovation
  • Ehrenamtskultur
  • Gemeinschaftsstärkung

Das Projekt „Bildungsbande“

Ein besonders erfolgreiches Format: 12- bis 13-Jährige gehen in erste Klassen in sozialen Brennpunkten und unterstützen beim Lernen.

„Die Erstklässler kommen angerannt und fragen: ‚Lernst Du heute wieder mit mir?’“

Win-Win-Situation:

  • Große Schüler erleben sich als kompetent
  • Kleine Schüler bekommen individuelle Zuwendung
  • Lehrkräfte werden entlastet
  • Bildungsgerechtigkeit wird gefördert

Von der Einzelleistung zum Team: Die neue Lernkultur

Veränderung & Kulturwandel

Rasfeld fordert eine „Kulturwende von der Einzelleistung zum Team“. Warum? Die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts – Digitalisierung, soziale Gerechtigkeit, Geldverteilung – lassen sich nur gemeinsam lösen.

Praktische Umsetzung

1. Teambasierte Projekte

  • Komplexe Aufgaben mit „Ernst-Charakter“
  • Verschiedene Rollen und Verantwortlichkeiten
  • Gemeinsame Präsentationen
  • Gruppenfeedback

2. Peer-Learning

  • Lernpartnerschaften
  • Expertensystem (Schüler als Experten)
  • Gegenseitiges Coaching
  • Lerngemeinschaften

3. Scheitern als Lernquelle

  • Fehlerfreundliche Kultur
  • Reflexionsrunden
  • „Fail-Partys“ zum Erfahrungsaustausch
  • Resilienztraining

Die drei Säulen der neuen Lernkultur

1. Wie lernen wir?

Selbstorganisiert – Interessensgeleitet – Forschend – Eigeninitiativ

2. Was lehren wir durch unser Leben?

Authentizität – Wertschätzung – Nachhaltigkeit – Verantwortung

3. Wie gestalten wir Gemeinschaft?

Partizipativ – Inklusiv – Demokratisch – Achtsam

Einfluss auf das deutsche Bildungssystem

Rasfelds Einfluss ist messbar und wächst stetig: Mittlerweile unterrichten über 400 Schulen das Fach „Verantwortung“, und Hunderte weitere Schulen haben Projekttage zu diesem Thema durchgeführt. Zudem wurden Tausende von Lehrkräften fortgebildet, und die Bewegung wächst kontinuierlich weiter.

Doch der Einfluss geht weit über diese Zahlen hinaus. Rasfeld hat es geschafft, eine Diskursverschiebung im deutschen Bildungswesen zu bewirken. Begriffe wie „Potenzialentfaltung“, „Selbstwirksamkeit“ und „Verantwortungslernen“ sind heute fester Bestandteil pädagogischer Debatten – nicht zuletzt durch ihre unermüdliche Arbeit.

Politische Anerkennung und Einflussnahme

Ein besonderer Meilenstein war Rasfelds Berufung als Kernexpertin im Zukunftsdialog der Bundeskanzlerin Angela Merkel 2011/2012. Zum Thema „Wie wollen wir lernen?“ leitete sie die Arbeitsgruppe „Gemeinsinn und soziale Kompetenzen“. Diese hochrangige Position verschaffte ihren Ideen Gehör auf politischer Ebene.

Im Ergebnisbericht des Projekts formulierte sie wegweisende Empfehlungen für die deutsche Bildungspolitik. Ihre Forderung nach mehr Raum für Verantwortungslernen und soziale Kompetenzen fand Eingang in offizielle Regierungsdokumente – ein seltener Erfolg für eine Bildungsaktivistin.

Die Transformationsakademie als Multiplikator

Seit 2023 hat „Schule im Aufbruch“ mit der Transformationsakademie ein professionelles Ausbildungsprogramm etabliert. Hier werden Transformationsbegleiter ausgebildet, die Schulen systematisch durch den Veränderungsprozess führen. Diese Professionalisierung markiert einen wichtigen Schritt: Aus einer Graswurzelbewegung wird eine strukturierte Kraft für Systemveränderung.

Die Akademie adressiert ein zentrales Problem: Viele Schulen wollen sich verändern, scheitern aber an der Komplexität des Prozesses. Die ausgebildeten Begleiter bringen nicht nur Methodenwissen mit, sondern auch die Erfahrung aus hunderten erfolgreichen Transformationen.

Internationale Strahlkraft

Rasfelds Einfluss beschränkt sich nicht auf Deutschland. Als Ashoka Fellow seit 2015 ist sie Teil eines globalen Netzwerks von Sozialunternehmern. Ihre Konzepte finden internationale Beachtung und werden in verschiedenen Ländern adaptiert. Besonders das Fach „Verantwortung“ hat sich als exportfähiges Modell erwiesen.

Auszeichnungen und Anerkennung

Die Anerkennung für Rasfelds Lebenswerk spiegelt sich in zahlreichen Auszeichnungen wider. Die wichtigste ist zweifellos ihre Wahl zur Ashoka Fellow 2015. Ashoka, die weltweit führende Organisation für Social Entrepreneurs, wählt nur Menschen aus, die nachweislich systemverändernde Innovationen vorantreiben.

Diese Auszeichnung eine Ehrung und eine Bestätigung, dass Rasfelds Arbeit tatsächlich das Potenzial hat, Bildungssysteme grundlegend zu transformieren. Die finanzielle und ideelle Unterstützung durch Ashoka ermöglichte es ihr, nach ihrer Pensionierung 2016 ihre Mission mit noch größerer Reichweite fortzusetzen.

Die Rolle als gefragte Rednerin

Seit ihrem (Un-)Ruhestand 2016 ist Rasfeld gefragter denn je. Sie spricht auf Konferenzen, berät Schulen und Ministerien, schreibt Bücher und inspiriert tausende Menschen. Ihre Vorträge hält so oft mit (Ex-)Schülern aus ihrer Schule. Ihre Vorträge sind keine theoretischen Abhandlungen, sondern lebendige Erfahrungsberichte aus der Praxis. Sie zeigt: Transformation ist möglich – hier und jetzt.

Kritische Betrachtung und Kontroversen

Jede tiefgreifende Reform provoziert Widerstand, und Rasfelds radikale Ansätze bilden keine Ausnahme. Die Kritik kommt aus verschiedenen Richtungen und verdient eine differenzierte Betrachtung.

Kritik aus konservativen Kreisen

Traditionell orientierte Pädagogen und Bildungspolitiker sehen in Rasfelds Ansätzen eine Gefährdung bewährter Standards. Die Hauptkritikpunkte:

Wissensvermittlung kommt zu kurz: Kritiker befürchten, dass bei all der Potenzialentfaltung grundlegende Kulturtechniken und Fachwissen vernachlässigt werden. Sie argumentieren, dass Selbstorganisation ohne solide Wissensbasis ins Leere läuft.

Überforderung der Schüler: Nicht alle Kinder seien reif genug für so viel Eigenverantwortung. Die Gefahr der Überforderung, besonders bei schwächeren Schülern, wird als reales Risiko gesehen.

Realitätsferne: Die Konzepte funktionierten nur in privilegierten Kontexten mit motivierten Schülern und engagierten Eltern. In sozialen Brennpunkten seien sie nicht umsetzbar.

Praktische Herausforderungen

Schulleiter und Lehrkräfte, die Rasfelds Konzepte umsetzen wollen, berichten von erheblichen Implementierungshürden:

Systemische Widerstände: Das deutsche Schulsystem mit seinen starren Strukturen, Lehrplänen und Prüfungsordnungen lässt wenig Spielraum für radikale Veränderungen. Viele scheitern an bürokratischen Hürden.

Ressourcenmangel: Die neuen Lernformate erfordern mehr Personal, andere Räume und zusätzliche Mittel. In Zeiten knapper Bildungsbudgets ein kaum lösbares Problem.

Elternwiderstand: Nicht alle Eltern teilen die Vision. Viele wünschen sich traditionelle Leistungsnachweise und befürchten Nachteile für ihre Kinder beim Übergang zu weiterführenden Schulen oder Universitäten.

Rasfelds Antwort auf die Kritik

Rasfeld begegnet der Kritik mit bemerkenswerter Offenheit. Sie räumt ein, dass Transformation schmerzhaft sein kann und nicht alle Experimente gelingen. Ihre Gegenargumente:

Zur Wissensvermittlung: In der neuen Lernkultur wird nicht weniger, sondern anders gelernt. Wenn Schüler intrinsisch motiviert sind, eignen sie sich Wissen oft tiefer und nachhaltiger an als im traditionellen Unterricht.

Zur Überforderung: Gerade schwache Schüler profitieren von individueller Förderung und Erfolgserlebnissen jenseits der Notenkonkurrenz. Die Praxis zeige, dass sie oft aufblühen.

Zur Evaluation: Sie plädiert für neue Evaluationsmethoden, die Kompetenzen wie Kreativität, Teamfähigkeit und Verantwortungsbewusstsein erfassen – Fähigkeiten, die traditionelle Tests nicht messen können.

Das Vermächtnis: Was bleibt?

Eine neue Generation von Bildungsinnovatoren

Rasfelds größtes Vermächtnis ist vielleicht die Inspiration einer ganzen Generation von Pädagogen. Tausende Lehrkräfte haben durch sie den Mut gefasst, neue Wege zu gehen. Sie hat gezeigt: Einzelne können das System verändern, wenn sie sich vernetzen und gegenseitig stärken.

Konkrete Strukturen und Methoden

Mit „Schule im Aufbruch“, der Transformationsakademie und erprobten Lernformaten hat Rasfeld nachhaltige Strukturen geschaffen, die über ihre Person hinaus wirken. Das Fach „Verantwortung“ ist an hunderten Schulen fest etabliert und wird von Jahr zu Jahr weiterentwickelt.

Die Vision für die Zukunft

Rasfelds Vision einer Bildung für das 21. Jahrhundert wird immer relevanter. In einer Welt, die von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität (VUCA) geprägt ist, brauchen junge Menschen andere Kompetenzen als frühere Generationen:

  • Kreativität und Innovationsfähigkeit
  • Kollaboration und Empathie
  • Kritisches Denken und Problemlösungskompetenz
  • Verantwortungsbewusstsein und Gestaltungswille

Diese „Future Skills“ stehen im Zentrum von Rasfelds Bildungsphilosophie. Sie hat früh erkannt, was heute immer offensichtlicher wird: Das traditionelle Bildungssystem bereitet junge Menschen nicht ausreichend auf die Herausforderungen der Zukunft vor.

Die unvollendete Revolution

Rasfeld selbst sieht ihre Arbeit als Anfang einer notwendigen Revolution. In Interviews betont sie immer wieder: „Wir stehen erst am Anfang.“ Die Transformation des Bildungssystems ist ein Generationenprojekt, das Ausdauer, Mut und kollektive Anstrengung erfordert.

Ihre Botschaft an die nächste Generation ist klar: „Fangt an! Wartet nicht auf Erlaubnis.“ Diese Ermutigung zum Handeln, gepaart mit konkreten Werkzeugen und erprobten Methoden, macht Rasfelds Vermächtnis so kraftvoll.

FAQ: Häufig gestellte Fragen

1. Wer ist Margret Rasfeld? 

Margret Rasfeld ist eine deutsche Bildungsaktivistin, ehemalige Schulleiterin und Mitbegründerin der Initiative „Schule im Aufbruch“. Geboren 1951, hat sie ihr Leben der Transformation des Bildungssystems gewidmet.

2. Was ist das Fach „Verantwortung“?

Ein innovatives Schulfach, in dem Schüler wöchentlich 2 Stunden echte Verantwortung in der Gesellschaft übernehmen – etwa in Altenheimen, Kindergärten oder Umweltprojekten.

3. Was bedeutet „Schule im Aufbruch“?

Eine 2012 gegründete Bildungsinitiative, die Schulen bei der Transformation zu einer neuen Lernkultur unterstützt. Mittlerweile praktizieren über 400 Schulen Elemente dieses Konzepts.

4. Wie funktioniert selbstorganisiertes Lernen?

Schüler entscheiden selbst über Lerntempo, -methoden und -zeitpunkt der Leistungsüberprüfung. Sie arbeiten mit individuellen Lernplänen und werden dabei von Lernbegleitern unterstützt.

5. Was sind die Hauptkritikpunkte an Rasfelds Konzepten? 

Kritiker befürchten Wissenslücken, Überforderung schwacher Schüler und mangelnde Umsetzbarkeit im bestehenden System. Auch die fehlende empirische Evaluation wird bemängelt. Letzteres ist natürlich ein Scheinargument, alles, was neu ist, kann wissenschaftlich bisher nicht überprüft sein. Einzelne Elemente hingegen (z.B. das Selbstregulierte Lernen) ist sehr gut überprüft.

6. Welche Ausbildung hat Margret Rasfeld? 

Sie studierte Biologie und Chemie auf Lehramt und erwarb Zusatzqualifikationen in Organisationsentwicklung, Themenzentrierter Interaktion (TZI) und Gestalttherapie.

7. Was ist die Transformationsakademie? 

Ein 2023 gestartetes Ausbildungsprogramm von „Schule im Aufbruch“, das Transformationsbegleiter für Schulen ausbildet.

8. Wie viele Schulen setzen das Fach „Verantwortung“ um? 

Etwa 400 Schulen in Deutschland haben das Fach „Verantwortung“ oder ähnliche Formate eingeführt.

9. Was bedeutet „Potenzialentfaltung“ in Rasfelds Konzept? 

Statt Defizite zu beheben, sollen individuelle Stärken und Talente jedes Kindes entdeckt und gefördert werden. Jedes Kind wird als einzigartig mit besonderen Begabungen gesehen.

10. Ist Margret Rasfeld noch aktiv? 

Ja, seit ihrer Pensionierung 2016 ist sie als Rednerin, Beraterin und Autorin aktiver denn je und wirbt unermüdlich für die Bildungstransformation. Sie ist also im klassischen Unruhe-Stand.

11. Was sind „Future Skills“ nach Rasfeld? 

Kompetenzen wie Kreativität, Kollaboration, kritisches Denken, Empathie und Verantwortungsbewusstsein, die für das 21. Jahrhundert essentiell sind.

12. Wie werden Leistungen ohne Noten bewertet? 

Durch detaillierte Kompetenzbeschreibungen, Selbsteinschätzungen, Peer-Feedback und Lernentwicklungsgespräche statt Ziffernnoten.

13. Was ist eine „Herausforderung“ im Schulkontext? 

Ein 2-3 wöchiges Projekt, bei dem Schüler die Schule verlassen und eine selbstgewählte Aufgabe meistern – von Alpenüberquerung bis Sozialprojekt.

14. Welche Rolle spielte Rasfeld im Zukunftsdialog der Bundeskanzlerin?

Sie war 2011/2012 Kernexpertin und leitete die Arbeitsgruppe „Gemeinsinn und soziale Kompetenzen“ im Rahmen von Angela Merkels Zukunftsdialog.

15. Was bedeutet „transformative Bildung“? 

Bildung, die nicht nur Wissen vermittelt, sondern Menschen befähigt, die Welt aktiv zu gestalten und zu verändern.

16. Braucht es Mut das Schulsystem zu verändern?

Wahrscheinlich. Margrets einfache Antwort darauf lautet: „Fangt an! Wartet nicht auf Erlaubnis.“

17. Worum geht es in Margret Rasfelds Buch „Das Schuldrama“?

Ausgangspunkt des Buches sind 70 erschütternde Briefe von Schülerinnen und Schülern eines Leipziger Gymnasiums, in denen sie ihre Erfahrungen von Stress, Überforderung und Angst vor schlechten Noten schildern. Diese Briefe offenbaren das „Drama“ des aktuellen Schulbetriebs, der von Leistungsdruck, Selektion und mangelnder Wertschätzung geprägt ist. Im zweiten Teil des Buches zeigen die Autorinnen konkrete Wege auf, wie Schulen zu Orten der Potenzialentfaltung und Freude am Lernen werden können. Sie stellen innovative Lernformate wie das „Projekt Verantwortung“, „Bildungsbande“ und den „FREI DAY“ vor, die auf Selbstwirksamkeit, Gemeinschaft und Sinnorientierung setzen.

Glossar wichtiger Begriffe

Ashoka Fellow: Auszeichnung der weltweit führenden Organisation für Social Entrepreneurs für Menschen mit systemverändernden Innovationen.

Bottom-up-Bewegung: Veränderung, die von der Basis (Schulen, Lehrkräfte) ausgeht, nicht von oben verordnet wird.

FREI DAY: Ein wöchentlicher Projekttag für zukunftsrelevante Themen und selbstbestimmtes Lernen.

Future Skills: Zukunftskompetenzen wie Kreativität, kritisches Denken, Kollaboration und Kommunikation, die für das 21. Jahrhundert essentiell sind.

Gestaltungskompetenz: Die Fähigkeit, Wissen über nachhaltige Entwicklung anzuwenden und Probleme nicht nachhaltiger Entwicklung zu erkennen und zu lösen.

Global Citizens: Weltbürger, die sich ihrer globalen Verantwortung bewusst sind und entsprechend handeln.

Graswurzel-Revolution: Veränderung von unten, initiiert durch Basisakteure statt durch hierarchische Anordnung.

Herzensbildung: Entwicklung von Empathie, Mitgefühl und emotionaler Intelligenz als Teil ganzheitlicher Bildung.

Intrinsische Motivation: Antrieb, der aus eigenem Interesse und innerer Überzeugung kommt, nicht durch äußere Belohnungen.

Lernbegleiter: Neue Rolle der Lehrkraft als Coach und Unterstützer statt als Wissensvermittler.

Peer-Learning: Lernen von und mit Gleichaltrigen, gegenseitige Unterstützung im Lernprozess.

Potenzialentfaltung: Fokus auf die Entwicklung individueller Stärken und Talente statt auf Defizitausgleich.

Selbstwirksamkeit: Die Überzeugung, durch eigenes Handeln etwas bewirken und verändern zu können.

Service Learning: Lernen durch gesellschaftliches Engagement, Verbindung von Theorie und praktischem Handeln.

Systemveränderung: Grundlegende Transformation von Strukturen und Prozessen statt oberflächlicher Reformen.

Themenzentrierte Interaktion (TZI): Pädagogisches Konzept von Ruth Cohn, das Ich, Wir und Es (Thema) im Kontext verbindet.

Transformationsbegleiter: Professionell ausgebildete Experten, die Schulen durch Veränderungsprozesse führen.

Transformative Bildung: Bildung, die Menschen befähigt, sich selbst und die Gesellschaft zu verändern.

VUCA-Welt: Akronym für Volatility (Volatilität), Uncertainty (Unsicherheit), Complexity (Komplexität) und Ambiguity (Mehrdeutigkeit).

Wir-Qualitäten: Fähigkeiten zur Zusammenarbeit, Vernetzung und gemeinsamen Problemlösung.

Ressourcen und weiterführende Literatur

Bücher von Margret Rasfeld

„Schulen im Aufbruch – Eine Anstiftung“ (2014) Gemeinsam mit Stephan Breidenbach verfasst, ist dies das Grundlagenwerk der Bewegung. Es bietet konkrete Anleitungen für die Transformation von Schulen und zeigt anhand vieler Beispiele, wie der Wandel gelingen kann.

„EduAction – Wir machen Schule“ (2012) Ein praxisorientiertes Handbuch, das die Erfahrungen aus der Evangelischen Schule Berlin Zentrum dokumentiert und als Inspiration für andere Schulen dient.

Weitere Literatur zum Thema

Gerald Hüther: „Was wir sind und was wir sein könnten“ (2011) Der Neurobiologe und Mitgründer von „Schule im Aufbruch“ liefert die neurobiologische Grundlage für Rasfelds pädagogische Ansätze.

Reinhard Kahl: „Treibhäuser der Zukunft“ (2004) Die wegweisende Dokumentation zeigt gelungene Schulen, darunter auch frühe Projekte von Rasfeld.

Online-Ressourcen

Website von Margret Rasfeld: www.margret-rasfeld.de Aktuelle Termine, Vorträge und Materialien direkt von ihr.

Schule im Aufbruch: www.schule-im-aufbruch.de Die zentrale Plattform der Bewegung mit Materialien, Fortbildungen und Vernetzungsmöglichkeiten.

Fortbildungen und Veranstaltungen

Transformationsakademie von Schule im Aufbruch Professionelle Ausbildung zum Transformationsbegleiter mit Zertifikat. Die Akademie bietet verschiedene Module:

  • Grundlagen der Schulentwicklung
  • Changemanagement in Bildungseinrichtungen
  • Innovative Lernformate implementieren
  • Widerstand als Ressource nutzen

Jahrestagung „Schule im Aufbruch“ Jährliche Großveranstaltung mit Workshops, Vorträgen und Vernetzungsmöglichkeiten für alle, die Schule verändern wollen.

„Fangt an!“ – diese zwei Worte fassen Rasfelds Botschaft perfekt zusammen. Es gibt keine bessere Zeit als jetzt, um Bildung neu zu denken und zu gestalten. Für unsere Kinder, für unsere Gesellschaft, für unsere Zukunft.

 

Autor: Marian Zefferer, MSc.

Psychologe, Papa, NLP-Lehrtrainer & Autor von Bildungsimpuls.com. Dort lebe ich meine Vision, einen Beitrag für unser marodes Bildungssystem zu liefern, damit Lernen wieder geil wird und Bildung als das gesehen wird, was es ist: das geistige Gold der Gesellschaft.

Beitragsreihe: inspirierende Persönlichkeiten

Dies ist ein Beitrag der Reihe: Persönlichkeiten die Bildung positiv beeinflussen

Beitragsreihe


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter:

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert